Erfolgsgeschichte
Veröffentlicht: Vor 8 Monaten

200 Jahre Bautzener Stadtgeschichte zugänglich machen

In vielen Städten beherbergen Archive reichhaltige Sammlungen von Briefen, Büchern, Tagebüchern, Protokollen und anderen wertvollen Artefakten. Diese Wissens- und Informationsquellen werden jedoch oft nicht ausreichend genutzt, da sie entweder zerbrechlich sind oder die Handschrift für das ungeübte Auge unleserlich sein kann.

Der Archivverbund Bautzen stand vor einer ähnlichen Herausforderung: Fast 300 Bücher mit den Protokollen der wöchentlichen Stadtratssitzungen von vor 200 bis 400 Jahren, die Einblicke in die Vergangenheit der Stadt gewähren, wurden wegen der schwer lesbaren Handschrift nicht ausreichend genutzt. Für unseren heutigen Artikel sprachen wir mit Grit Richter-Laugwitz, Leiterin des Archivverbund Bautzenüber die Aufgabe der Transkription der Bautzener Ratsprotokolle mit Hilfe von Transkribus, die Bedeutung dieser Aufzeichnungen und wie Transkribus dazu beigetragen hat, sie der Öffentlichkeit online zugänglich zu machen.

Grit Richter-Laugwitz, Leiterin des Archivverbundes Bautzen. © Holger Hinz

Start des Projekts

Mit den wöchentlichen Eintragungen in den 257 Ratsprotokollbüchern von 1623-1832 verfügt die Stadt Bautzen über Dokumente, die Einblicke in (fast) alles geben, was in dieser Zeit in der Stadt geschah. Grit Richter-Laugwitz und die Archivverbund Bautzen (bestehend aus dem Stadtarchiv und dem Staatsfilialarchiv Bautzen) erkannte, dass zwei Jahrhunderte Stadtgeschichte, die in diesen Aufzeichnungen dokumentiert sind, eine reiche Quelle des Wissens darstellen. Vor diesem Hintergrund wurde ein Projekt gestartet, um diese Sammlung historischer Aufzeichnungen zu transkribieren und ans Licht zu bringen.

Die Zusammenarbeit stand im Mittelpunkt dieser Initiative, bei der Transkribus als Projektpartner dem Archivverbund Bautzen beitrat. Die finanzielle Unterstützung für das Projekt kam von der 'WissensWandel', ein digitales Programm des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Richter-Laugwitz erläutert, dass das Programm Bibliotheken und Archive dabei unterstützen soll, den Zugang zu ihren Beständen unabhängig von der Nutzung vor Ort zu verbessern und neuartige (digitale) Formate der Wissens- und Informationsvermittlung anzuwenden. Ziel des Projektes war es, die Ratsprotokolle, einen der wichtigsten Archivbestände der Stadt Bautzen, besser zugänglich zu machen.


Ratsprotokolle bis 1832, Nr. 166 (28. Jan. 1732 - 30. Juli 1733). © Archivverbund Bautzen

Das Bautzener Stadtratsprotokoll

Die Ratsprotokolle der Stadt Bautzen aus den Jahren 1623 bis 1832 bilden einen wichtigen Eckpfeiler des historischen Erbes der Stadt. Aber warum sind diese Aufzeichnungen so wichtig, wenn es darum geht, die Vergangenheit der Stadt zu verstehen und zu erforschen?

Diese Bücher dokumentieren die wöchentlichen Sitzungen des Rates, der aus sieben bis zwölf Männern aus wohlhabenden Patrizierfamilien bestand, Details Richter-Laugwitz, unter seinen Mitgliedern wählte der Rat jedes Jahr einen Bürgermeister. "In den Ratsprotokollen werden sowohl die jährlichen Ratsgeschäfte als auch die in den Sitzungen behandelten Themen festgehalten, die die gesamte Bandbreite der kommunalen Aufgaben und Entwicklungen abdecken."

Richter-Laugwitz stellt klar, dass die Protokolle zwar unter dem Oberbegriff "Ratsprotokolle" katalogisiert sind, ihr wahrer Inhalt sich aber erst bei genauer Betrachtung der einzelnen Einträge erschließt. Von Informationen über den Umsatz oder die Steuererhebung bis hin zu politischen Entwicklungen und Fragen - diese historischen Dokumente spiegeln die Vielfalt der Angelegenheiten und Fortschritte der Stadt wider.

Obwohl diese Unterlagen zwischen 2010 und 2018 umfassend restauriert und digitalisiert wurden und der digitale Zugang seit 2019 möglich ist, blieb die Navigation in den manchmal schlecht strukturierten Bänden arbeitsintensiv. Dies hat zu einer unzureichenden Nutzung dieser Ressource geführt, da "die Sammlung nur sehr sporadisch von Forschern genutzt wurde - trotz ihrer bedeutenden Relevanz für ein breites Spektrum von Themen". 

Um die Ratsprotokolle auch für Menschen mit geringen Kenntnissen der historischen Schrift zugänglich zu machen, wandte sich der Archivverbund Bautzen an Transkribus. Mit Hilfe der KI-gestützten Texterkennungssoftware von Transkribus wäre es möglich, die handschriftlichen Protokolle zu transkribieren und die Transkriptionen online verfügbar und durchsuchbar zu machen.

Transkription mit verstellbarer Ansicht (Transkription überlagert den Text). Ratsprotokolle bis 1832, Nr. 254 (4. Jan. 1830 - 30. Dez. 1830). © Archivverbund Bautzen

Transkribieren von 55.000 Seiten mit Transkribus

Nachdem die Bautzener Stadtratsprotokolle bereits 2019-2021 von einer externen Firma digitalisiert wurden, berichtet Richter-Laugwitz, dass sie auf Empfehlung von Dirk Alvermann, Leiter des Universitätsarchivs Greifswald, Kontakt zu Transkribus aufnahm. Nach ausführlichen Gesprächen und einer erfolgreichen Bewerbung über das Förderprogramm "WissensWandel" wurden die historischen Dokumente im März 2021 an Transkribus zur Texterkennung und Transkription übergeben.

Wie bereits erwähnt, bestand das Material aus 257 Büchern mit etwa 55.000 Seiten deutscher Handschrift aus den Jahren 1623-1832. Dieser riesige Textkorpus wurde dann mit dem Transkribus Early Kurrent-Modell transkribiert, einem KI-Texterkennungsmodell für deutsche Kurrentschrift. Nach dem anfänglichen Transkriptionsprozess im Jahr 2021 wurde klar, dass ein besseres Transkriptionsergebnis sowie eine weitere Verbesserung der Metadaten (z. B. die Anzeige von Unterschriften auf der Suchseite) erforderlich war. Um dies zu erreichen, wurde ein benutzerdefiniertes KI-Modell mit Early Kurrent als Basismodell trainiert, das dann getestet wurde, um zu sehen, ob es bessere Ergebnisse liefert. Da die Transkription des neuen Modells eine eindeutige Verbesserung der Transkription zeigte, wurde die gesamte Dokumentensammlung im Sommer 2023 überarbeitet.

Verfügbare Suchoption auf der Website Website des Archivverbundes Bautzen. 

Bautzener Ratsprotokolle mit Transkribus erkunden 

Das erfolgreiche Ergebnis sind die nun digitalisierten und transkribierten Aufzeichnungen aus 200 Jahren Stadtgeschichte, die in eine Transkribus-Seiten (ehemals Read&Search), die die Dokumente Ihrer Transkribus-Sammlung online zugänglich macht, so dass sie von jedermann und überall durchsucht und abgerufen werden können. Die kompletten Bände der Bautzener Stadtratsprotokolle finden Sie auf der Website Transkribus Sites Bautzener Ratsprotokolle. Die Ratsprotokolle enthalten praktisch alle damals als bemerkenswert erachteten Ereignisse, die in der Stadt stattfanden, und jetzt kann jeder alle 257 Bücher ganz einfach nach jedem beliebigen Thema oder Begriff von Interesse durchsuchen. Durch einfache Eingabe von Suchbegriffen oder Namen in die Suchmaschine der Website durchsucht das System alle Dokumente nach entsprechenden Einträgen. 

Forscher finden die Suchfunktion von Transkribus und die hinzugefügten Metadaten in der Bautzener Ratsprotokolle Website besonders nützlich, da sie nicht nur die Ansicht von Dokumenten, sondern auch einen schnellen und genauen Zugang zu bestimmten Themen oder Namen ermöglicht. Insbesondere bei großen Dokumentensammlungen bedeutet ein durchsuchbarer Korpus, dass die historische Forschung gezielter und effizienter wird. Richter-Laugwitz erklärt, dass digitalisierte und transkribierte Archivalien von großem Wert für die historische Forschung sind, ebenso wie die Verbindung der Transkribus Sites Website mit anderen Portalen. Im Rahmen des Projekts hat Transkribus Permalinks eingerichtet zu Bautzener Ratsprotokolledie in den Portalen zu finden sind Archivportal-D und Findbuch. Durch die Verknüpfung von Transkribus-Sites mit bestehenden Portalen oder Datenbanken wollen wir Archiven und Forschern gleichermaßen einen Mehrwert bieten.

Ratsprotokolle bis 1832, Nr. 256 (2. Jan. 1832 - 9. Juni 1832)

Eine erfolgreiche Zusammenarbeit

Transkribus erwies sich zwar als eine gute Wahl, um historische Dokumente zugänglich zu machen, aber Richter-Laugwitz erklärt, dass die fehlende Erfahrung mit den Möglichkeiten und Grenzen der Software eine Herausforderung war, die zu vielen Fragen während des Projekts führte. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen von Transkribus war jedoch sehr unkompliziert und konstruktiv, so dass Fragen oder Bedenken geklärt werden konnten, was zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führte, so Richter-Laugwitz. 

Das Projekt fand sogar in den Medien große Beachtung, unter anderem wurde in der regionalen Presse über den Einsatz von KI zur Erforschung der Bautzener Geschichte berichtet, berichtet Richter-Laugwitz. Die geteilten Beiträge auf Twitter (jetzt X genannt) stießen ebenfalls auf großes Interesse und wurden bundesweit mehrfach geteilt und positiv kommentiert. Richter-Laugwitz und das Team des Archivverbundes Bautzen wollen auch weitere Möglichkeiten mit Transkribus ausloten, insbesondere für die digitalisierten Chroniken der Stadt Bautzen.

Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem Archivverbund Bautzen und Transkribus zeigt das gemeinsame Engagement für die Bewahrung und Vermittlung der lokalen Geschichte. Wir von Transkribus freuen uns, Teil dieses Projekts zur Erschließung der schriftlichen Vergangenheit Bautzens gewesen zu sein. 

Vielen Dank an Grit Richter-Laugwitz für das Gespräch mit uns!

Richter-Laugwitz's Transkribus Tipp:

Fangen Sie mutig an, die Möglichkeiten sind vielfältig und beeindruckend.



Thumbnail Image: Grit Richter-Laugwitz, Leiterin des Archivverbundes Bautzen. © Holger Hinz

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