Erfolgsgeschichte
Veröffentlicht: Vor 3 Jahren

Greifswald: Erschließung von Rechtsquellen von 1580 bis 1880

Ziel des Greifswald Projektes ist die vollständige Digitalisierung und Volltexterschließung der Spruchakten der Greifswalder Juristenfakultät, nämlich der Urteilsbegründungen der Assessoren am Wismarer Tribunal aus dem Zeitraum des Wismarer Ratsgerichts aus der Zeit von 1580 bis 1880. Insgesamt sind es etwa 250.000 Seiten an historischen Dokumenten.

Solche Gerichtsquellen bilden vielfach die Grundlage für die Forschungsfelder der Strafrechtsgeschichte und historischen Kriminalitätsforschung mit ihren Bezügen zur Alltags-, Mentalitäts- und Geschlechterforschung. Sie gestatten detailreiche Aufschlüsse über das sich verändernde juristische Denken zwischen dem 16. und 19. Jh. Hierbei geht es aber nicht nur um die „großen Kriminalfälle“, sondern eher um die „kleinen Leute“ und ihre alltäglichen Konflikte mit dem Recht. Die Fälle reichen von Mord und Totschlag, über Raub und Dieberei, allerlei Tätlichkeiten und Beleidigungen, gebrochene Eheversprechen, Erbstreitigkeiten und Vormundschaften, bis hin zu Wirtschaftsdelikten und Glaubensangelegenheiten.

Justitia vor der Ostsee © Rechtsprechung im Ostseeraum

Aufgrund ihrer schieren Menge, ihres Umfangs und der speziellen inneren Struktur sind Gerichts- und Prozessakten in den Archiven oft nur flach erschlossen und daher nur eingeschränkt recherchierbar. Schon die Anlage der Prozessakten erschwert ihre systematische Nutzung. Die Anfragen der Anwälte mit den Fallschilderungen und die dazugehörigen Rechtsbelehrungen, Gegendarstellungen und Einlassungen von Klägern und Beklagten, Zeugenaussagen und Verhörprotokolle sind so vielfältig, dass diese Akten häufig nur nach Prozessparteien (wer gegen wen?) erschlossen sind, kaum nach Orten und fast nie nach Delikten.

Deshalb lassen sich dem vorhandenen Textkorpus die „sechs großen Ws“ (wer? was?, wann?, wo?, wie? und warum?) nur schwer entlocken – eigentlich ein typischer Fall für die digital humanities … und eben auch für Archive.

Hier kommt die Volltextindizierung mit Hilfe der Werkzeuge der Transkribus-Plattform ins Spiel. Die Möglichkeit, eigene HTR-Modelle (Handwritten Text Recognition) zu entwickeln, die perfekt zu dem vielfältigen Material passen und die in der Lage sind, ein Textvolumen von bis zu 250.000 Seiten zuverlässig zu bewältigen und zu transkribieren, klang zunächst wie eine Utopie. Inzwischen ist jedoch ein großer Teil des Materials in Transkribus verarbeitet worden. Es soll bald auch mit KWS (Keyword Spotting) durchsuchbar sein. Das Team beschreibt die Erfahrungen, die sie bei diesem Projekt gemacht haben in einem Blog und natürlich teilen sie ihre besten HTR-Modelle mit der Transkribus-Community.

Im Projekt kooperieren das Universitätsarchiv Greifswald, das Archiv der Hansestadt Wismar, das Landesarchiv Mecklenburg-Vorpommern, die Universitätsbibliothek Greifswald und die READ-COOP. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

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